Motiviert durch die derzeitige heiße Debatte um die Zukunft der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern, veranstaltete die Regionalgruppe MV der Kulturpolitischen Gesellschaft mit dem Aktionsbündnis Kulturschutz am vergangenen Donnerstag eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion in Schwerin. Kulturberaterin Dr. Rita Gerlach-March schildert für alles-mv.de ihre Eindrücke, die sie als Moderatorin der Veranstaltung gewonnen hat.
Mit Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Institutsdirektor von der Universität Hildesheim, konnte einer der renommiertesten Wissenschaftler auf dem Feld der Kulturpolitik im deutschsprachigen Raum gewonnen werden, einen Impulsvortrag zur Reform der Darstellenden Künste zu halten, der den stark auf MV beschränkten Horizont öffnen, eine externe Sicht auf das Thema vermitteln und Anregungen zu einer inhaltlichen Debatte geben sollte.
Vor über hundert Zuschauern debattierten im Anschluss auf dem Podium Vertreter von Theatern und Politik über die Thesen des Theaterforschers. Ausgangspunkt war dabei die Ansicht „Die Krise des Kulturstaates ist die Krise der Kulturfinanzierung ist die Krise der Kulturpolitik“: Grundproblem sei die Abwesenheit oder Konzeptlosigkeit der Kulturpolitik. Erst müsse man sich im Land darüber klar werden, was man unter Kultur bzw. Theater versteht und was man davon erwartet – und ausgehend von dieser Vision müssten Richtlinien und Rahmenbedingungen entwickelt und über die Finanzierung gesprochen werden. Angesichts der derzeitig von der Regierungskoalition verhandelten zwei Fusions-Modelle der Metrum Managementberatung (zu zwei Landesopern bzw. zu zwei Staatstheatern), bestritt der langjährige Theaterkenner vehement jeglichen Nutzen von Fusionen, die nur kurzfristig Maßnahmen wären und keine Lösung der grundlegenden Herausforderungen.
Mitorganisator und Kulturschutz-Initiator Ralph Reichel, Chefdramaturg am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, plädierte für eine Aufnahme der Kultur als Pflichtaufgabe in die Landesverfassung, um aus der lähmenden Defensivposition herauszukommen und endlich wieder Theater – mit einem anderen Selbstverständnis und mehr Partizipation – zu machen.
Dass es eine gestaltende Kulturpolitik braucht, die weiß, wo sie hin will, und dafür dann auch die nötigen Mittel da seien, erkannte auch Torsten Koplin, einer der Initiatoren der Volksinitiative und kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Die Linke.
Jürgen Suhr, Vorsitzender der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte wie sein Kollege in der Landtagsopposition das Festhalten des Ministeriums an der seit 1994 gedeckelten Fördergrenze, Zeitvorgaben und Konzeptlosigkeit.
Intervention via Bürgerbegehren denkbar
Da aufgrund einer Erkrankung des Staatssekretärs kein Vertreter des Kultusministeriums anwesend war, musste Michael Körner, Vorsitzender des Landeskulturrates, häufig dessen Position vermitteln. Basierend auf seinen Eindrücken von den Regionalkonferenzen forderte auch er die Landesebene auf, mehr Verantwortung zu übernehmen, und führte als positives Beispiel die für 2014/15 geplante Querschnittsaufgabe „Kulturelle Bildung“ an.
Angesichts der Fülle der grundlegenden Probleme ergab auch die Publikumsdiskussion keine abschließenden Lösungen, sondern warf mehr neue Fragen auf – die nach dem Wohin, Weshalb und Wie einer vernünftigen Theaterförderung für ganz MV muss allerdings von der Landesregierung beantwortet werden.
In den derzeitig unumgänglich scheinenden unbefriedigenden Prozess mit dem Zwang zur Einigung auf eines der Metrum-Modelle könnte die Öffentlichkeit nur mittels Bürgerbegehren intervenieren, überlegte die Landtagsopposition abschließend.
Denkbar ist auch eine Fortsetzung des Dialogs mit dem Staatssekretär, der sich für eine weitere Veranstaltung 2013 zur Verfügung stellte.
Eine ausführlichere Fassung des Artikels sowie laufend aktualisierte Berichterstattung zur Theaterdebatte MV finden Sie hier.
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